Erklärung der DIG Stuttgart und mittlerer Neckar aus Anlass der Kundgebung „halt!zusammen – Wir sind die Vielen, die zusammenhalten gegen Rassismus und Gewalt in unserem Land“ am 16.1.2016 auf dem Stuttgarter Schlossplatz:
Halten wir auch gegen Antisemitismus zusammen?
Juden und Jüdinnen vor Angriffen zu schützen ist dringender denn je
Diskriminierung von Jüdinnen und Juden ist in Deutschland immer noch weit verbreitet. Synagogen werden beschädigt, auch die in Stuttgart. Wer sich mit Kippa oder Davidstern auf der Straße zeigt, ist gefährdet. Die Anzahl der Straftaten mit antisemitischem Hintergrund nimmt von Jahr zu Jahr zu. Nicht nur auf Schulhöfen und in Fußballstadien gehört „Judenschweine“ zu den beliebtesten Schimpfworten. Auf Demonstrationen ertönen Rufe wie „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ und „Tötet die Juden!“
Antisemitismus ist weit mehr als Rassismus
Antisemitismus ist nicht nur Diskriminierung, sondern vor allem eine abstruse Welterklärung: Die Juden beherrschten angeblich die Welt und seien deshalb verantwortlich für alles Böse. So denken sehr viele in Deutschland, wenn auch diese Vorstellung nicht immer so offen geäußert wird. In Umfragen geben regelmäßig mehr als ein Drittel bis fast die Hälfte zu Protokoll, „die Juden“ seien „andersartig“ und hätten „zu viel Einfluss“ (Siehe z.B. Die Studien von Oliver Decker u.a. „Die Mitte in der Krise“ und 2012 „Die Mitte im Umbruch“). In Ermanglung einer kritischen Gesellschaftsanalyse wird ein Generalverdacht gegen „die da oben“, gegen die Konzerne und den Finanzmarkt, gegen die „Lügenpresse“ und alles Amerikanische gepflegt, der – bewusst oder unbewusst – an antisemitische Stereotype anknüpft.
Israel in Frage zu stellen, ist Antisemitismus
Zwei Drittel der Deutschen meinen, Israel sei das Land, das den Weltfrieden am meisten gefährde. Warum denkt die Mehrheitsgesellschaft das nicht über China, das Tibet besetzt? Oder über Marokko, das Teile der Westsahara besetzt? Warum boykottiert die EU nicht die Türkei, die Nordzypern besetzt? Warum ist „Israelkritik“ die Lieblingsbeschäftigung vieler deutscher NGOs und warum gibt es keine Iran- oder Sudankritik? Im israelisch-arabischen Konflikt geht es um einige Quadratkilometer Land, ein „Konfliktchen“ eigentlich, das schon lange gelöst wäre, wenn Israel nicht vom antisemitischen Vernichtungswahn seiner Todfeinde bedroht wäre. Doch Martin Schulz, Chef des EU-Parlaments, erklärt diesen Konflikt zur Mutter aller Konflikte auf der Welt. Das delegitimiert Israel und misst es mit anderen Maßstäben als andere Staaten. Welches Motiv treibt ihn an?
Warum wird ausgerechnet die Existenz Israels in Frage gestellt?
Israel ist die notwendige Konsequenz aus dem mörderischen Antisemitismus. Israel heißt: Juden werden nie wieder wehrlos sein. Darüber hinaus hat Israels Geburtsurkunde mehr juristische, politische und moralische Gültigkeit als die der meisten anderen Staaten. Der jüdische Nationalstaat wurde mit der Zustimmung der UNO gegründet. Er gründet sich auf dem internationalen Recht, nicht auf Krieg, Revolution oder Eroberung wie die meisten anderen Staaten. Es gibt nur einen Grund, warum Israel gehasst wird: es wird als „der Jude unter den Staaten“ betrachtet. Antizionismus ist Antisemitismus.
Antisemitischer Hass speist islamistischen Terror und die Gewaltakte der Neonazis
Der Chef des größten staatlichen Terrorexporteurs, der iranische Revolutionsführer Khamenei, drohte im September, Israel werde es in 25 Jahren nicht mehr geben. Bis dahin „wird euch Kampfeswille und Dschihad jede Minute ängstigen“. Zielobjekte des Terrors sind jüdische oder vermeintlich jüdische Einrichtungen wie das Museum in Brüssel, der Supermarkt und das Bataclan in Paris oder ganz generell „der Westen“, der als jüdisch gesteuert fantasiert wird. Sympathisanten von IS, Muslimbrüder, Hamas und Hisbollah zogen im Sommer 2014 zusammen mit Rechts- und Linksextremisten durch Stuttgarter Straßen und brüllten „Tod Israel“ und „Kindermörder Israel“. Der Aufschrei der Zivilgesellschaft blieb ebenso aus wie juristische Verfolgung und politische Maßnahmen. Warum?
Wenn Flüchtlinge aus Ländern, in denen Hass gegen Israel Staatsdoktrin ist, auf die hiesige Gesellschaft treffen, in der es kaum Abwehrmechanismen gegen eigenen und fremden Antisemitismus gibt, dann gilt es gerade jetzt zusammen zu halten gegen Antisemitismus